Kugelmenschen

Die Kugelmenschen
Sie kommen aus einer Zeit ohne Zeit.
Als Himmel und Erde noch eins waren und Licht und Dunkel kein Gegeneinander kannten.
Als es nur Eins gab und nicht Vieles.
Sie wurden zusammen erschaffen, ohne Ecken und Kanten, voller Macht.
In ihnen lebte die Einheit von Herz und Kopf, von Licht und Schatten, von Werden und Vergehen.
Sie rollten durch die Schöpfung, schwerelos und leise, lachten mit dem Wind und weinten mit dem Regen.
Zu liebevoll für eine Welt, die Härte verlangte.
Zu stark für eine Welt, die Schwäche verehrte.
Zu leuchtend für Augen, die das Dunkel suchten.
Die Kugelmenschen waren kein Volk, sondern ein Zustand.
Ein Zustand des Ganzen.
Doch die, die sie betrachteten, die Vieles waren und nicht Eins, spürten Neid.
Sie nannten es Angst.
Und aus dieser Angst wurde Misstrauen.
Und aus dem Misstrauen Gedanken.
Und aus den Gedanken Taten.
Sie machten aus den Kugelmenschen Vieles, so wie sie selbst Vieles waren.
Sie durften nicht anders sein, nicht glücklicher.
Mit kaltem Willen und harten Taten rissen sie das Eine in Zwei.
Zertrennten, was nicht getrennt gedacht war.
Die Kugelmenschen fielen.
Nicht, weil sie schwach waren, sondern weil ihr Herz sich weigerte, sich zu verschließen.
Seitdem suchen sie.
Sie rollen nicht mehr, sie taumeln.
Sie tasten, sie hoffen, sie sehnen.
Geteilt in Zwei, verstreut über Raum und Zeit.
Manche nennen es Liebe.
Andere Freundschaft.
Oder das Gefühl, dass einem etwas fehlt, obwohl alles da ist.
Du trägst die eine Hälfte in dir.
Du spürst sie, wenn dein Herz ohne Grund schwer wird.
Wenn dein Blick sich in der Ferne verliert und starr bleibt.
Dein Kugelmensch lebt.
Vielleicht weit fort, in einem anderen Körper, in einer anderen Zeit, in einer Gestalt, die du noch nicht kennst.
Vielleicht hat er Flügel bekommen, um dich zu beschützen.
Oder Pfoten, um dir leise zu folgen.
Vielleicht ist er längst an deiner Seite, als Spiegel, als Erinnerung, als Licht in dunklen Tagen.
Wenn die Zeit nicht mehr zählt und die Angst durch Liebe ersetzt wird, werden wir wieder eins sein.